Philosophie / Ethik
Wonach streben wir? Hat das Leben einen Sinn? Was ist gerecht? Sind wir verpflichtet, Menschen in Not zu helfen? Was ist Wahrheit? Sind wir frei in unseren Entscheidungen? Lebe ich mein eigenes Leben? Im Philosophieunterricht denken wir gemeinsam über grundlegende Fragen unseres Daseins nach.
Was ist Philosophie? Was ist Ethik?
Nicht einmal Philosophinnen und Philosophen selbst sind sich einig, was Philosophie genau ist. Hingegen ist klar, worum es beim Philosophieren geht:
Wir suchen die Wahrheit durch selbständiges und kritisches Denken. Nichts wird einfach so akzeptiert, weil jemand es sagt oder schreibt. Wir bekämpfen Vorurteile und ersetzen sie durch genaue und selbstkritische Argumentation. Wir stellen existentielle Fragen und verzweifeln nicht, wenn wir sie nicht beantworten können.
Ethik ist etwas einfacher zu fassen: Sie ist das Teilgebiet der Philosophie, welches sich mit moralisch richtigem und falschem Handeln befasst. Die Grundregeln der Philosophie gelten aber auch hier: selbstständiges und kritisches Nachdenken, offene Diskussion, gute Argumente!
Hier eine Auswahl philosophischer und ethischer Fragen und Themen:
Ethische Fragen
- Dürfen wir lügen, wenn wir es jemand anderem zuliebe tun?
- Dürfen wir Tiere essen? Wie steht es mit Katzen und Hunden?
- Dürfen wir Einzelne töten oder foltern, wenn wir dadurch viele andere Leute retten?
- Haben wir ein Recht auf Glück? Können wir auch dann glücklich sein, wenn wir es nicht merken?
- Bedeutet "Gerechtigkeit", dass allen das Gleiche zusteht - oder dass jeder das kriegt, was er verdient?
- Ist Schwangerschaftsabbruch Mord?
Philosophische Fragen
- Sind wir tatsächlich nur kluge Säugetiere, ganz nah verwandt mit den Affen?
- Haben wir eine Seele? Haben die Affen eine Seele? Können Tiere denken?
- Haben wir einen ganz freien Willen, oder könnten wir manipuliert sein? Bestimmen unsere Gene oder unsere Erziehung unser späteres Leben?
- Was wissen wir wirklich? Was uns die Wissenschaftler sagen? Was wir selbst sehen? Und wenn wir nun getäuscht werden?
- Sollten wir in unserem Leben nach einem Sinn suchen - oder uns lieber damit abfinden, dass es keinen gibt?
Philosophie / Ethik als Wahlpflichtfach
In den 2.-3. Gymnasialklassen und den 1.-2. Klassen FMS wird Philosophie bzw. Ethik angeboten als Wahlpflichtfach (neben Religion). Dieses Wahlpflichtfach ist promotionsrelevant für Gymnasium und FMS.
Im Wahlpflichtfach werden Fragen und Themen aus allen Teilbereichen der Philosophie besprochen, wobei sich das erste Jahr inhaltlich eher an Ethik orientiert (Unterrichtsbeispiel: Frau Bitterlis Vermögen). Im zweiten Jahr wagen wir uns auch an Probleme der theoretischen Philosophie heran (Unterrichtsbeispiel: die Matrix-Filme).
Aktuelle, in den Medien diskutierte und von Schüler/innen eingebrachte Fragen und Themen haben immer hohe Priorität. Wenn also im "20 Minuten" oder irgendwo online ein feministisches Problem diskutiert wird, oder wenn es um Meinungsfreiheit oder die Gerechtigkeit von Strafen geht, dann bringt die Zeitung mit oder schickt uns den Link per E-Mail!
Während wir philosophische und ethische Themen besprechen, lernen wir immer auch Dinge, die für andere Fächer und fürs Leben allgemein nützlich sind. So lernen wir, Texte zu gliedern, ihre argumentativen Schwachpunkte herauszufinden. Wir lernen, echte Argumente von rhetorischen Tricks zu unterscheiden und Fehlschlüsse zu kritisieren. Wir lernen zu debattieren und genau und präzis zu schreiben. All dies nützt uns nicht nur im Umgang mit philosophisch-ethischen Fragen, sondern in allen Fächern bis zur (Fach-) Matura und darüber hinaus.
Philosophie/Ethik als Ergänzungs- und Vertiefungsfach
Sind wir die freie, edle und beseelte Krone der Schöpfung, oder doch nur, wie Friedrich Nietzsche die Evolutionstheorie interpretiert, arrogante Säugetiere? Selbst wenn wir nur Tiere sind: Sind unser Verstand, unsere Sprache und unsere moralischen Werte nicht Grund genug, uns überlegen zu fühlen?
Im Vertiefungsfach Philosophie erörtern und vertiefen wir Fragen unseres Wissens, unserer Natur und unserer Moral. Was können wir wissen, wenn unsere Wahrnehmungsorgane der Umwelt angepasst sind und alles auch ganz anders sein könnte? Sind wir identisch mit unserem Körper und Hirn - komplizierte Tiere eben, evolutionär entstanden - oder gibt es da noch etwas Zusätzliches, eine Seele vielleicht? Wie und warum sollten wir moralisch handeln, wenn wir nicht einmal sicher einen freien Willen haben und möglicherweise auf der Erde von äusseren Umständen herumgeschubst werden wie Billardkugeln auf dem Snookertisch?
Wir werden in diesem Kurs den Bogen schlagen von klassischen philosophischen Texten zur Natur des Menschen und dem Wesen der Moral bis zu aktuellen Kritiken von Aspekten unserer Gesellschaft: Ist es moralisch in Ordnung, einen Menschen zu klonen? Dürfen oder müssen wir eingreifen, wenn wir überzeugt davon sind, dass die kulturelle Praxis der Beschneidung weiblicher Genitalien moralisch falsch ist? Ist die Demokratie auch dann die beste Regierungsform, wenn wir zum Schluss kommen, dass Menschen oft selbst nicht wissen, was gut für sie ist? Ist das überhaupt wahr - wissen Menschen oft selbst nicht, was gut für sie ist? Wer soll dann entscheiden?
Der Kurs ist auch für Schülerinnen und Schüler gedacht, welche das Wahlpflichtfach Philosophie in der 2. und 3. Klasse nicht besuchten. Wir lernen, anspruchsvolle Texte zu lesen und zu analysieren und selbst überzeugend zu argumentieren und kritisieren. Diese Grundtechniken der Argumentation sind für alle Universitätsstudien sehr nützlich.
Aus dem Unterricht
Ein ethisches Problem: Frau Bitterlis Vermögen
"Kurz vor ihrem Tod bittet die reiche Frau Bitterli ihren einzigen Sohn Jonathan zu sich ans Krankenbett, um ihm ihren letzten Wunsch zuzuflüstern. Jonathan muss seiner Mutter versprechen, ihr gesamtes Geld in Banknoten zu ihr in den Sarg zu legen und mit ihrem Leichnam zu verbrennen. Jonathan verspricht dies seiner Mutter, aber nachdem sie gestorben ist, verteilt er das Geld an Leute, die es brauchen – Arme, Kranke, Behinderte. War es richtig von Jonathan, sein Versprechen zu brechen?"
Ethik ist das Teilgebiet der Philosophie, das sich mit moralisch richtigem und falschem Handeln beschäftigt. Sie ist zuständig für die Frage, ob Jonathan sein Versprechen halten soll oder nicht.
Die Frage ist schwierig, weil wir sie kaum beantworten können, ohne uns grundsätzliche Gedanken darüber zu machen, was gutes und schlechtes Handeln eigentlich ist. Warum zum Teufel sollen wir unsere Versprechen überhaupt je halten? Wäre es nicht lustiger, wenn wir sie auch einfach brechen könnten?
Ihr könnt eure ethische Position gleich selbst testen: Wenn ihr dazu neigt, Jonathan zu raten das Geld zu spenden, dann misst ihr wohl moralisches Handeln an seinen Folgen - viele profitieren und niemand leidet, wenn Jonathan spendet. Ihr seid dann vielleicht Utilitaristen, um einen philosophischen Fachbegriff zu verwenden.
Denkt ihr, dass Versprechen eigentlich nie gebrochen werden sollten, dann sind euch Prinzipien und Regeln wichtig. Ihr beharrt auch dann auf Prinzipien und Regeln, wenn sie den Leuten nicht unbedingt gut tun. Mit dem passenden Fremdwort: Ihr denkt in ethischen Fragen eher kategorisch.
Seid ihr eher utilitaristische oder kategorische Ethiker/innen?
Die Matrix: Was wissen wir über die Welt?
Der Film "The Matrix" von 1999 spielt in der Zukunft. Computer werden bis dann immer intelligenter geworden sein, bis sie es schafften, uns Menschen in einem Krieg zu besiegen. Nach diesem Krieg beginnen die Computer, die Menschen als lebendige Batterien zu verwenden. Sie stecken Babys in Tanks. Damit die aufwachsenden Menschen nicht unruhig und krank werden, füttern sie deren Hirnen Daten, so dass die Menschen den Eindruck haben, sie würden ein normales Leben führen - alles fühlt sich für sie an wie unser Leben sich für uns anfühlt, nur dass sie eben in Wahrheit ohne ihr Wissen unbeweglich in einem dunklen Tank liegen.
Da die Menschen in der Matrix nicht wissen können, dass sie sich in der Matrix befinden - kannst du es wissen? Wie kannst du ausschliessen, dass du jetzt, heute in einer Matrix bist? Wie kannst du wissen, dass du an einem Computer sitzt und die Webseite der Kanti Heerbrugg ansiehst? Dass deine Finger eine reale Tastatur berühren? Die Webseite, der Computer, der Tisch, dein Stuhl, das Zimmer: das alles könnten Teile einer perfekten virtuellen Realität sein, produziert von Maschinen, um dir die Illusion zu geben, du würdest ein normales Leben als Kantischüler führen.
Wenn du akzeptierst, dass du nicht wissen kannst, dass deine Realität bloss eine Matrix oder ein Traum ist, dann bist du eine Skeptikerin oder ein Skeptiker. Wenn du das Argument der Matrix für Blödsinn hältst, dann bist du wahrscheinlich eine Pragmatistin oder ein Pragmatist. Viele Philosophinnen und Philosophen der Gegenwart und Vergangenheit sind Skeptiker oder Pragmatisten.